Eines der bekanntesten Zitate der Fotografie stammt von Helmut Newton: "Deine ersten 10.000 Fotos sind die schlechtesten." Ich gehe da noch einen Schritt weiter und behaupte, dass es noch viele mehr sind. Ich könnte nach meinem Ableben dann wohl mit "Jedes nächste Foto wird besser als all die Fotos, die du bisher geschossen hast." zitiert werden.
Egal, wie lange ich als Fotograf tätig bin, ich entdecke immer wieder neue Möglichkeiten, neue Ideen, neue kreative und technische Ansätze, mit welchen ich meine Fotos verbessern kann - "Stay hungry, stay foolish". Aber genug zitiert und philosophiert. Wir wollen ja wissen, welche Fehler vermieden werden können, um im Optimalfall die durchschnittliche Zahl von ganz schlechten Fotos auf ein Minimum zu reduzieren.
Fotografieren für Anfänger: Was sind die wichtigsten Einsteiger-Tipps?
1. Nimm dir die Zeit, die du brauchst
Es gibt im Laufe der Jahre für Fotografen immer wieder Situationen, in denen kein Augenblick verpasst werden darf: Der Kuss bei einer Hochzeit, das entscheidende Tor bei einem Fußballspiel, der Komet am Nachthimmel. Hier musst du deine Kamera und deren Funktionen aus dem Stegreif kennen und dein Handwerk beherrschen. Du kannst in der Kirche ja schlecht zum Brautpaar sagen "Könnt ihr das nochmal machen? Ich musste noch die Blende einstellen". Gut, kannst du schon. Einmal halt, und dann ist deine Karriere als Hochzeitsfotograf vermutlich vorbei.
In den meisten Situationen, vor allem ganz am Anfang, wenn du damit beginnst, der Fotografie mehr Aufmerksamkeit zu schenken, dann hast du für deine Aufnahmen Zeit. Nimm sie dir auch. Nimm dir die Zeit, um die Grundlagen zu lernen, um zu verstehen, wie das Belichtungsdreieck funktioniert, wie Blende, Belichtungszeit und ISO voneinander abhängen, sich gegenseitig beeinflussen, und was das auch für die verschiedenen Einsatzgebiete, wie beispielsweise Landschaftsfotografie, Sportaufnahmen oder Eventhootings bedeutet.
Das heißt nicht nur die Theorie lesen, bis dir die technischen Infos aus den Ohren quellen. Das heißt vor allem auch mehr Praxis. Geh' raus, fotografiere und nimm dir Zeit dafür, um die Grundlagen zu lernen und auch wirklich zu verstehen. Nutze die Möglichkeiten, die du in deiner näheren Umgebung findest. Egal ob in der freien Natur, in einer belebten Stadt, egal ob Menschen oder Architektur, ob bei Tag oder bei Nacht - alles bringt dich weiter und vernetzt deine Synapsen zu einem umfangreichen Verständnis für Fotografie. Im Prinzip kannst du das mit dem Autofahren vergleichen. Denkst du nach vielen Jahren Fahrpraxis noch nach, wann du die Kupplung drücken musst und wann du den Schaltknüppel in Position bringst?
2. Geld und Technik machen dich nicht zu einem guten Fotografen
Wenn wir beim Autovergleich bleiben, kann sich auch eine andere Frage gestellt werden: "Wer hat die höheren Chancen auf den Sieg? Der Fahranfänger im Formel 1 Boliden oder der Profi-Rennfahrer im Familienvan?"
High-End Kameras haben eine riesige Anzahl an Funktionen, und um diese richtig bedienen zu können, braucht es Erfahrung. Das Profi-Equipment macht deshalb trotzdem keine Bilder für dich - das machst nur du selbst. Bevor du deine Ersparnisse in neueste Spiegelreflexmodelle und Objektive mit Premiumverglasung steckst, besorg' dir eine gute gebrauchte Kamera oder nutze einfach das, was du hast - zum Beispiel dein Smartphone. Konzentriere dich auf die Grundlagen, auf deine Wahrnehmung, auf dein Auge, denn dafür brauchst du keine teure Ausrüstung. Schau dir zum Beispiel mein Foto der Zugspitze an, mit einem iPhone gemacht und mit Lightroom Mobile bearbeitet.
Sollte dann in der Zukunft der Moment erreicht sein, in dem du dich mit deinem Equipment unterfordert fühlst, dann ist der richtige Zeitpunkt erreicht, um etwas Geld zu investieren. Dennoch gilt: Ein guter Fotograf kann mit einer günstigen Kamera seinen Kunden tolle Ergebnisse liefern. Ein schlechter Fotograf schafft das auch mit der teuersten Kamera nicht.

3. Bewegung statt Zoom

Zoom-Objektive sind auf den ersten Blick eine elegante Wahl, wenn es um Flexibilität beim Fotografieren geht. Du kannst den Bildausschnitt anpassen, ohne dich zu bewegen und du kannst die Brennweite verändern, ohne den lästigen Objektivwechsel. Kalorien verbrennst du auch keine. Klingt doch erstmal super oder?
Manche Objektive wie beispielsweise das Tamron Ultra-Tele-Megazoom (was ein Name) decken Brennwertbereiche von 18 - 400 mm ab. Das geht nur, indem viel Optik in relativ kleinen Raum gezwängt wird. Und wie wir das auch vom Mittagessen kennen, ist "reinzwängen" nichts, was mit "Genuss" in Verbindung gebracht wird. Die Nachteile von Zoomobjektiven sind die Blendenwerte und die Bildqualität. Bei einem minimalen Blendenwert von f/3.5 bei 18 mm und respektive f/6.3 bei 400 mm geht - mal unabhängig von der geringen Lichtstärke - eines der schönsten Gestaltungsmerkmale der Fotografie verloren, und zwar die Tiefenunschärfe. Zusätzlich haben diese Objektive bauartbedingt eine größere Anfälligkeit für Vignettierung, Verzerrungen und chromatischer Aberrationen. Klar, kann alles in der Nachbearbeitung zu einem gewissen Grad korrigiert werden, aber jeder Eingriff dieser Art verringert die Qualität deines Fotos.
Mit Festbrennweiten hast du zwar den Nachteil, dass du deine Beine wieder benutzen musst, aber die einhergehenden Vorteile sind einfach unschlagbar wichtig. Lichtstarke Objektive mit Blendenwerten bis f/1.2 und hochwertiger Optik ermöglichen dir ganz andere Dimensionen der Fotografie, nicht nur was Portraits oder Landschaftsaufnahmen angeht, sondern auch was die "Available-Light"-Fotografie an dunklen Sets angeht. Für mich war das nach 5 Jahren Zoomern eine richtige Offenbarung. Stell dir vor, du bist Kolumbus und entdeckst eine ganz neue Welt, die du vorher nicht kanntest. Jepp, so sind Festbrennweiten mit hoher Lichtstärke und Offenblende.
4. Goodbye Automatik-Modus
Der Automatik-Modus wurde entwickelt, um High-End Kameras auch für Privatpersonen zugänglich zu machen, die schöne Urlaubsfotos knipsen, ohne sich mit der Technik dahinter auseinander setzen zu wollen. Was dabei entsteht, ist genau das: Geknipse. Wer aber fotografieren will, der sollte den Modus in Zukunft verbannen² (genau so, wie er das Wort knipsen aus seinem Wortschatz verbannt), denn in dem die Kamera für dich willkürliche Mittelwerte errechnet und entscheidet, wie das Bild aussehen wird, verlierst du die Kontrolle darüber, wie das Bild aussehen soll.
Ja, das dauert alles länger, aber damit kommen wir wieder bei Punkt 1 an - nimm dir die Zeit! Du wirst bei jedem Einsatz, in welchem du im manuellen Modus fotografierst, sicherer, selbstbewusster und schneller. Je früher du also damit anfängst, desto weniger Zeit verlierst du auf dem Weg zur richtigen Fotografie. Wie sagt man so schön: Der beste Tag einen Baum zu pflanzen war vor 50 Jahren, der zweitbeste ist heute.
Du bist dir noch zu unsicher?
Das Belichtungsdreieck ist vor allem am Anfang eine ganz schön verwirrende Angelegenheit. Das sollte dich aber nicht einschränken. Mit meinem Fotografie-Spickzettel, den du gratis von mir bekommst, hast du alle Informationen auf einen Blick griffbereit. Entweder auf dem Smartphone speichern oder ausdrucken und in die Fototasche stecken und du hast den Spickzettel stets griffbereit.
Freebie!
Hol dir meinen kostenlosen "Fotografie Spickzettel", mit dem du alle wichtigen Informationen zum Belichtungsdreieck auf einen Blick hast!
5. Blitzeinsatz: Auf oder in der Kamera?
Ich bin begeisterter Musiker, habe jahrelang in einer Band gespielt und verfolge in Stadien und Hallen immer wieder Konzerte live. Ist dir schon einmal aufgefallen, wie oft es in den Zuschauerrängen blitzt? Und hast du dich schonmal gefragt, wieviel Sinn es macht, mit einem Handyblitz einen Musiker aufzuhellen, der 250m weit entfernt und von Strahlern und Stroboskoben beleuchtet auf der Bühne performt? Hast du schon mal versucht, mit einem Strohhalm deinen Garten zu gießen?
Den internen Blitz der Kamera kannst du getrost in die Tonne kloppen. Mitunter ein Grund, warum höherklassige Kameras auf das Feature komplett verzichten. Es ist nicht mehr als ein Gimmick bzw. ein "Notnagel", auf den du aber genau so gut verzichten kannst - wie zum Beispiel auch dein Blinddarm. Wer blitzen will, muss sich mit dem Thema intensiv auseinandersetzen. Blitze sind ein Gamechanger, bringen einen komplett neuen Faktor in die Fotografie und es gilt, auf viele physikalische und technische Rahmenbedingungen achten.
Wenn du noch am Anfang der Fotografie stehst und deine Kamera gerade erst richtig kennenlernst, dann empfehle ich, mit dem verfügbaren Licht zu arbeiten und auf's Blitzen erst einmal ganz zu verzichten, um die Sache nicht zu verkomplizieren und den Spaß am Fotografieren nicht zu verlieren. Konzentriere dich mehr auf das Belichtungsdreieck, auf lichtstarke Objektive oder Langzeitbelichtungen, auf fotografische Kniffe, um auch ohne künstliches Blitzen ein tolles Motiv zu erzielen. Ich garantiere dir, das klappt!
6. Nachbearbeitung ist wichtig
Bildbearbeitung ist fester Bestandteil und ein essentieller Schritt in der Fotografie. Das ist nicht nur heute im digitalen Zeitalter der Fall, es wurde auch schon - entgegen landläufiger Meinung - in der analogen Fotografie vor 60 Jahren nachbearbeitet. Damals einfach nicht mit Lightroom sondern im Labor, in der sogenannten "Dunkelkammer" (jetzt ergibt "Lightroom" auch endlich Sinn wenn man das weiß). Anstelle von digitalen Schiebereglern haben Fotografen Filme mit unterschiedlicher Empfindlichkeit und Körnung verwendet. Und wenn du weiterforschen willst, dann check' doch mal, woher der Begriff und die Technik "Dodge and Burn" kommt, auch das hat seinen Ursprung im Fotolabor.
Wenn mich jemand nach der Herausgabe von RAW-Dateien fragt, dann beantworte ich das immer folgendermaßen: "Würde ein Künstler ein Bild malen, käme es für ihn in Frage, das Werk schon zu verkaufen, wenn er es erst zur Hälfte vollständig hätte?". Dich mit Lightroom auseinander zu setzen und die Stärken der Bildbearbeitung zu nutzen, ist nicht nur erlaubt, es ist notwendig, denn es ist Teil des kreativen Schaffensprozesses. Schau' dir als Beispiel das Hochzeitsfoto an: "Roh" sieht das Motiv noch etwas flau aus, aber mit ansprechender Nachbearbeitung entfaltet sich das volle Potential.
Nutze deshalb die Mittel, die dir moderne Bildbearbeitungstechniken ermöglichen und lass' dich durch Stammtisch-Gebabbel nicht verunsichern. Dein Bild kann so viel mehr, als du im ersten Augenblick sehen kannst, du musst nur an den richtigen Rädchen drehen.

07. Verwende das Digitale Negativ
Wenn wir schon beim Thema Nachbearbeitung sind: Ab sofort wird nur noch im RAW-Modus fotografiert. Aber warum? JPG ist doch deutlich kleiner und ich kann statt 100 Aufnahmen auf meiner SD-Karte über 1000 Aufnahmen speichern. Hier gilt die allseits bekannte Phrase "Qualität statt Quantität" und du willst dir sicher nicht sämtliche Bearbeitungsmöglichkeiten aufgrund des inneren Speicher-Schwabens verbauen, nicht wahr?
Die Stärken der RAW-Dateien liegen im - wie der Name schon sagt - digitalen Rohformat. Das sind sämtliche Daten, die auf den Bildsensor treffen und verlustfrei gespeichert werden. Dadurch hast du die Möglichkeit, das Bild später viel umfangreicher zu bearbeiten und zu manipulieren, ohne dass Bildinformationen verloren gehen. Du kennst das sicher, wenn der Himmel "ausgefressen" ist oder der dunklere Strand im Sonnenuntergang-Gegenlicht "absäuft". Mit einer JPG bist du hier aufgeschmissen, no chance. Mit einem digitalen Negativ kannst du diese Bereiche nicht nur retten und wiederherstellen, sondern sogar exponieren. Noch nicht überzeugt? Dann fahr' doch mal mit der Maus über die Nachtaufnahme! Kein Photoshop, keine Retusche, reine Bildbearbeitung in Lightroom und mit den mir zur Verfügung stehenden Information des digitalen Negativs.
Es gibt einen "Nachteil", den man als solchen eigentlich nicht bezeichnen kann, aber das haben wir im Punkt 6 schon behandelt. RAW-Dateien funktionieren nicht "out of cam", du musst sie in jedem Fall immer in eine Entwicklungssoftware (beispielsweise Adobe Lightroom) importieren, bevor du sie nutzen kannst. Stell dir einfach direkt die Frage, was du willst: Das Fastfood-Menü, in 5 Minuten fertig und geschmacklich zwischen Sägemehl und Leder, oder die hausgemachten italienischen Tortellini, in 30 Minuten liebevoll gezaubert und für den Gaumen ein multipler Genuss-Orgasmus. Wir verstehen uns, oder?
Und jetzt geht's an die Umsetzung, also schnapp' deine Kamera und raus mit dir!
²dies betrifft nicht die Teilautomatik Av/Tv/S
³Fotonachweis: Einleitung Matheus Bertelli; Bewegung statt Zoom Ali Pazani; Blitzeinsatz Wendy Wei